Die Werte
„Der Sachverständige ermittelt den Wert, der Markt bestimmt den Preis.“
(Quelle: Holzner/Renner, Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken und des Werts von baulichen Anlagen)
(Quelle: Holzner/Renner, Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken und des Werts von baulichen Anlagen)
Insofern ist es nachvollziehbar, dass der Immobilienmarkt, also die tatsächlich gezahlten Kaufpreise von Objekten gleicher Art, Maß, Lage, Beschaffenheit und Ausstattung von sich aus eine erhebliche Streuung aufweisen.
Der objektiv ermittelte Verkehrswert kann in der Regel weder am einen, noch am anderen Spannenrand der tatsächlich gezahlten Kaufpreise liegen.
Die Grundstücks- bzw. Immobilienbewertung ist ein durch Rechtsvorschriften geregeltes Verfahren, welches durch die Anwendung fundierter betriebswirtschaftlicher, juristischer und bautechnischer Sachkenntnisse den Verkehrswert/Marktwert für bebaute und unbebaute Grundstücke zu einem bestimmten Stichtag im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ermittelt.
Nach § 194 Baugesetzbuch wird der Verkehrswert/Marktwert „durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“
Ziel jeder Verkehrswertermittlung ist es, einen möglichst marktkonformen Wert des Grundstücks zu bestimmen, d. h. den wahrscheinlichsten Kaufpreis im nächsten Kauffall unter der Voraussetzung vernünftig handelnder Marktteilnehmer. Es ist jedoch kaum möglich, alle tatsächlichen Eigenschaften einer Immobilie zu erfassen, da z. B. viele Bauteile und verbaute Materialen nicht sichtbar und selbst den Eigentümern vielfach unbekannt sind.
Früher gab es in Deutschland lediglich den Verkehrswert. Im Zuge der Europäisierung und der Internationalisierung wurde dem Verkehrswert das Wort Marktwert angegangen. Dies ähnelt eher dem englischen Begriff des Market Value. Die Begriffe Verkehrswert oder gemeiner Wert bestehen lediglich im deutschen Sprachgebrauch und haben keine Übersetzung.
Die Notare sollen alle zustande gekommenen Kaufverträge an die Gutachterausschüsse der jeweiligen Kommune oder des jeweiligen Kreises weiterleiten, damit diese die Kaufpreise mit statistischen Verfahren und Modellen auswerten und somit vergleichbar machen. Auch andere Institutionen sammeln und kaufen Kaufpreise, teilweise auch Angebotspreise, um diese gemäß den vorgenannten Maßgaben auszuwerten und für Immobilienbewertungen zu nutzen.
Diese Verfahren und Auswertungen sind in der Lage, dass allgemeine Marktgeschehen darzustellen. Mittlerweile gibt es im Internet aber auch eine Vielzahl von teilweise kostenlosen und teilweise für geringe Preise zu findenden Immobilienbewertungen, welche auf diesen Daten und Auswertungen basieren. Auch wir nutzen diese Möglichkeiten bei einer Vielzahl unserer Gutachten, jedoch lediglich, um das allgemeine Marktgeschehen darzustellen.
Gleiches gilt für Bodenrichtwerte und Immobilienrichtwerte, welche mittlerweile nahezu flächendeckend zumindest für Nordrhein-Westfalen von den Gutachterausschüssen ableitet und im Internet veröffentlicht werden. Gemäß Grundstückswertermittlungsverordnung (GrundWertVO NRW) sind alle Gutachterausschüsse in NRW seit 2021 verpflichtet, jährlich zonale Bodenrichtwerte und Immobilienrichtwerte für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen abzuleiten.
Immobilienrichtwerte sind georeferenzierte, auf einer Kartengrundlage dargestellte durchschnittliche Lagewerte für Immobilien, bezogen auf ein für diese Lage typisches Normobjekt. Sie dienen der Ermittlung eines überschlägigen, gerundeten Immobilienpreises. Sie ersetzen daher keine sachverständige Ermittlung des Verkehrswerts.
Man muss sich also bei all der Leistungsfähigkeit, die die Digitalisierung und künstliche Intelligenz mit sich bringt, darüber im klaren sein, dass jedes Modell irgendwann an seine Grenzen stößt.
Ein Verkehrswertgutachten oder überhaupt eine seriöse Wertaussage kann nicht daraus bestehen, dass Durchschnittswerte mit einer Wohnfläche multipliziert werden oder dass eine Miete mit einem Rohertragsfaktor multipliziert wird.
Jede Immobilie ist so individuell, dass sie ohne eine Innenbesichtigung und ohne eine spezielle Würdigung nicht adäquat bewertet werden kann.
Insofern wird der menschliche Faktor der speziellen Würdigung einer Immobilie im Zuge der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz immer wichtiger. Die Maschine oder künstliche Intelligenz hilft und unterstützt uns bei der Bewertung von Immobilien, sie kann diese Aufgabe aber mangels des menschlichen Blicks auf die wertbildenden Details nicht übernehmen.
Nicht immer wird in Konfliktsituationen, speziellen Kaufkonstellationen oder steuerlichen Situationen der Verkehrswert benötigt.
Im Zuge von Erbschaften wurden vielleicht Schenkungen als vorweggenommene Erbschaften unter bestimmten Einschränkungen (z. B. Bauverbot auf einem Grundstück) vergeben. Fallen im Zuge des Todes des Erblassers diese Einschränkungen weg, erhält der Beschenkte quasi eine neuerliche Schenkung bzw. Erbschaft, die gegebenenfalls für das Erbe anderer Miterben von finanziellem Belang sein kann.
Auch gibt es Grundstücke, die aufgrund ihrer Größe oder Form nicht baulich nutzbar sind. Der angrenzende Nachbar hätte in Verbindung mit seinem Grundstück aber sehr wohl die Möglichkeit, das fragliche Grundstück zu bebauen. Der Verkehrswert als „Wert für Jedermann“ oder „Wert für die Allgemeinheit“ ist hier beispielsweise der Wert von Grünland, der Wert für den Nachbarn ist jedoch der Wert von Bauland. Was aber, wenn man in einer Erbauseinandersetzung oder Scheidung gar nicht weiß, ob der Nachbar überhaupt an einem Kauf interessiert ist?
Oftmals bestehen Grundstücke aus mehreren katastermäßigen Flurstücken, die einzeln nicht veräußerbar sind. Dennoch ist es teilweise für steuerliche Zwecke oder in Zwangsversteigerungen notwendig, die Einzelwerte dieser Flurstücke auszuweisen. Auch dies sind keine Verkehrswerte.
Noch differenzierter kann es werden, wenn das Finanzamt den Gesamtertrag der Liegenschaft auf die sich über die Flurstücke erstreckenden Gebäudenutzungen ausgewiesen haben möchte. Bei Grundstücken mit mehreren Nutzungen (Wohnnutzung, Büronutzung, Eigennutzung, Fremdnutzung) kann es hier zu unübersichtlich vielen Werten kommen.
Vielfach ist auch bei einem bebauten Grundstück die Aufteilung des Verkehrswerts in einen fiktiven Anteil für das Grundstück und einen Anteil für das Gebäude vonnöten. Dies kann auch wiederum in steuerlichen Angelegenheiten gefragt sein oder auch bei Ehescheidungen, wenn ein Ehepartner das Grundstück mit in die Ehe gebracht hat oder während der Ehe geschenkt bekommen oder geerbt hat.
In all diesen Situationen ist ein fundiertes juristisches Wissen und Verständnis für eine korrekte Wertermittlung vonnöten. Darum bitten wir auch in der Regel bei Erbauseinandersetzungen um Überlassung des Testaments und/oder müssen zunächst mit den involvierten Rechtsanwälten Rücksprache halten. Teilweise äußern Erblasser in ihren Testamenten Verfügungen, die aus bauplanungs- oder bauordnungsrechtlichen Gründen gar nicht durchführbar sind. Dies muss ein qualifizierter Sachverständiger erkennen. Ohne fundierte juristische Grundlage ist dies nicht möglich.
Wir ermitteln auch Werte, die individuelle Situationen wertmäßig berücksichtigen.
Rechtsgrundlage sind in erster Linie das Baugesetzbuch (BauGB) und die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV), aber auch diverse andere bundes- und landesweite Rechtsvorschriften. Zur Bestimmung des Verkehrswerts/Marktwerts werden in Deutschland das Vergleichswert-, das Sachwert- und das Ertragswertverfahren herangezogen.
Im Vergleichswertverfahren sind Kaufpreise für bebaute oder unbebaute Grundstücke heranzuziehen, die hinsichtlich ihrer wertbestimmenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen.
Das Vergleichswertverfahren kann auf der Grundlage von Vergleichspreisen und auf der Grundlage von Vergleichsfaktoren erfolgen. Vergleichspreise sind die tatsächlichen Verkaufspreise. Vergleichsfaktoren sind durchschnittliche, auf eine geeignete Einheit bezogene Preise für Grundstücke mit bestimmten wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmalen (Normobjekte). Geeignete Bezugseinheiten sind insbesondere der marktüblich erzielbare jährliche Ertrag (Ertragsfaktoren), aber auch Flächen- oder Raumeinheiten der baulichen Anlagen (Gebäudefaktoren).
Das Vergleichswertverfahren scheitert in der Praxis häufig daran, dass in ausreichender Anzahl Kaufpreise von Vergleichsobjekten nicht existieren oder bekannt sind, die nach Art, Maß, Lage, Beschaffenheit und Ausstattung mit dem jeweiligen Bewertungsobjekt übereinstimmen sowie im vergleichbaren Zeitraum zustande kamen.
Das Ertragswertverfahren geht von der Annahme aus, dass der Grundstückswert sich als gegenwärtiger Wert aller künftigen Reinerträge ergibt, die der Eigentümer aus dem Grundstück erzielen kann. Bei der Ermittlung dieser Barwerte ist zwischen dem Grund und Boden sowie den Gebäuden zu unterscheiden. Der Grund und Boden ist ein unbegrenzt nutzbares Wirtschaftsgut; er verzinst sich ewig. Der auf die Gebäude entfallende Reinertragsanteil ist dagegen nur ein zeitlich begrenzter Ertrag. Zur Durchführung des Ertragswertverfahrens ist es deshalb erforderlich, den aus dem gesamten Grundstück zu erzielenden Reinertrag für die Kapitalisierung aufzuteilen und den Wert der baulichen Anlagen getrennt vom Bodenwert zu ermitteln. Mit diesem Verfahren kann auch nachgewiesen werden, ob die derzeitig ausgeübte Nutzung wirtschaftlich ist oder ob eine gegebenenfalls bauplanungsrechtlich mögliche, höherwertige Nutzung auch tatsächlich vertretbar ist.
Das Sachwertverfahren basiert im Wesentlichen auf der Beurteilung technischer Merkmale bzw. der Bausubstanz auf der Grundlage von Normalherstellungskosten. Die Herstellungskosten von Gebäuden werden durch Multiplikation der Raum- oder Flächeneinheiten des Gebäudes mit den Normalherstellungskosten für vergleichbare Gebäude ermittelt. Diesbezüglich gibt es eine Vielzahl von Objekttypen. Die Normalherstellungskosten sind zukunfts- und wertorientiert und nicht vergangenheits- und kostenorientiert anzusetzen. Der Sachwert ist die Summe von Bodenwert, dem Wert der Gebäude und dem Wert der Außenanlagen. Unter Berücksichtigung der örtlichen Marktverhältnisse gelangt man vom rechnerischen Sachwert zum marktangepassten Sachwert.
Alle Verfahren führen bei sachrichtiger Anwendung annähernd zu identischen Werten. Durch die Anwendung mehrerer, voneinander unabhängiger Verfahren werden die Schätzgenauigkeit sowie die Plausibilität des Verkehrswerts verbessert. Im Übrigen greifen die grundsätzlichen Überlegungen des Sachwertverfahrens sowie jene des Ertragswertverfahrens ineinander, da die im Ertragswertverfahren angesetzte Rendite nur auf der Basis einer soliden Substanz erwirtschaftet werden kann. Somit ist der Substanzwert in der Regel ebenso kaufentscheidend bzw. wertbestimmend, wie der zu erzielende Ertrag.
Wertermittlung in Nordrhein-Westfalen
In Nordrhein-Westfalen hat sich bereits vor Jahren die Arbeitsgemeinschaft der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte (AGVGA) zusammengefunden. Diese hat sowohl für die Ableitung der Liegenschaftszinssätze im Ertragswertverfahren, als auch für die Ableitung der Sachwertfaktoren im Sachwertverfahren ein einheitliches Modell erstellt und den Gutachterausschüssen im Land zur Vorgabe gemacht. Damit wurde deren Spielraum erheblich verkleinert. Dies macht aber die abgeleiteten Faktoren bei benachbarten Gutachterausschüssen vergleichbar und verbessert somit das Ergebnis des ausgewerteten Datenmaterials im Allgemeinen.
Dies führt wiederum dazu, dass diese Modelle in unseren Gutachten zur Anwendung kommen, um die statistisch abgeleiteten Daten der Gutachterausschüsse nutzen zu können und zu marktkonformen Ergebnissen zu gelangen.
Die Sachverständige
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